Erbkrankheiten: Die genetischen Ursachen

Erbkrankheiten: Die genetischen Ursachen
Erbkrankheiten: Die genetischen Ursachen
 
Erbkrankheiten können sowohl durch schadhafte Gene als auch durch überzählige oder fehlerhafte Chromosomen (Chromosomenaberrationen) entstehen.
 
 
Die Meiose - die Entstehung reifer Geschlechtszellen (Gameten) - ist ein so komplizierter Vorgang, dass Fehler nicht auszuschließen sind. Normalerweise werden die homologen Chromosomen mütterlichen und väterlichen Ursprungs während der Meiose voneinander getrennt und auf zwei Geschlechtszellen verteilt, doch manchmal passiert es beispielsweise, dass die Chromosomen verkleben und gemeinsam in eine Geschlechtszelle wandern, die dann ein überzähliges Chromosom aufweist. Eine andere Geschlechtszelle dagegen hat deshalb ein Chromosom zu wenig (numerische Chromosomenaberrationen). Beim Crossing-over, dem Austausch von Chromatidenabschnitten zwischen homologen Chromosomen, werden die Gene zwar neu kombiniert, was durchaus positive Veränderungen des Erbguts nach sich ziehen kann (etwa eine bessere Anpassungsfähigkeit an Umweltbedingungen), dabei können aber auch fehlerhafte Chromosomen entstehen. Beispielsweise können nichthomologe Chromosomen unter Umständen Stücke miteinander austauschen (Chromosomentranslokation), Chromosomenstücke können verloren gehen (Chromosomendeletion) oder aber es entsteht eine Chromosomenlücke. All diese strukturellen Chromosomenaberrationen ziehen schwere Behinderungen nach sich. Liegt bei einer befruchteten Eizelle eine numerische Chromosomenaberration vor, kommt es meistens zu einer Fehlgeburt. Bei einem fehlenden Chromosom (zumindest bei einem fehlenden Autosom) ist der Embryo nie lebensfähig, bei einem zusätzlichen Chromosom unter Umständen schon. Allerdings ist ein Kind, das mit einem überzähligen Chromosom geboren wird, stets geistig und oft auch körperlich behindert. Die häufigste numerische Chromosomenaberration ist die Trisomie 21, auch bekannt als Down-Syndrom oder Mongolismus. Dabei ist das Chromosom 21 in der befruchteten Eizelle drei- statt zweimal enthalten. Typische Merkmale von Kindern mit Down-Syndrom sind u. a. eine charakteristische Augenstellung, eine große Zunge, kurze Finger und eine herabgesetzte Muskelspannung. Die Kinder sind immer geistig behindert, wobei der Grad der Behinderung von einer leichten bis hin zu einer schweren geistigen Behinderung variieren kann. Nicht selten treten beim Down-Syndrom auch Herz- und Darmfehlbildungen auf. Liegt das Chromosom 13 oder das Chromosom 18 in dreifacher Ausführung vor, werden die Kinder zwar manchmal lebend geboren, doch meist sterben sie schon nach kurzer Zeit, da mit diesen Chromosomenaberrationen stets schwere körperliche Fehlbildungen einhergehen.
 
Bei numerischen Aberrationen der Geschlechtschromosomen (sowohl beim Fehlen als auch beim Vorliegen eines überzähligen Chromosoms) sind die betroffenen Kinder in der Regel lebensfähig. Auch eine geistige Behinderung geht nicht zwingend mit einer numerischen Aberration der Geschlechtschromosomen einher. Die Betroffenen sind jedoch häufig unfruchtbar, z. B. beim Turner-Syndrom, bei dem einem Mädchen ein X-Chromosom fehlt, oder beim Klinefelter-Syndrom, bei dem ein Junge ein zusätzliches X-Chromosom besitzt. Je älter eine Mutter bei der Geburt ist, umso häufiger kommen Chromosomenaberrationen vor. Beispielsweise liegt die Wahrscheinlichkeit, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen, im Alter von 40 Jahren bei 1:20, im Alter von 20 Jahren jedoch nur bei 1:1500. Ob bei einem ungeborenen Kind eine Chromosomenaberration vorliegt, kann durch die Gewinnung von kindlichen Zellen während der Schwangerschaft mithilfe einer Fruchtwasseruntersuchung und einer anschließenden Anfertigung eines Karyogramms ermittelt werden.
 
 Einzelgenmutationen
 
Viele Erbkrankheiten werden jedoch nicht durch Chromosomenaberrationen, sondern durch Einzelgenmutationen hervorgerufen. Dabei ist ein Gen auf einem Chromosom verändert, das heißt, die Abfolge der Basen stimmt nicht mehr mit dem Original überein. Solche Mutationen können durchaus positiv sein, wenn ein Organismus (z. B. ein Bakterium) sich dadurch besser an seine Umwelt anpasst (wenn etwa ein Bakterium gegen Antibiotika resistent wird). Viele Genmutationen führen vor allem beim Menschen jedoch zu Krankheiten, da ein bestimmtes Protein nicht mehr hergestellt werden kann, das für den Körper von Bedeutung ist. Nicht selten sind es Erkrankungen des Stoffwechsels, die durch Genmutationen verursacht werden - so z. B. die Mukoviszidose, die autosomal rezessiv vererbt wird. Bei dieser Krankheit bilden die Drüsen des Körpers einen zähflüssigen Schleim, der die Drüsenausgänge (z. B. der Bauchspeicheldrüse) verstopft. Auch in den Bronchien bildet sich Schleim, was zu schweren Atemproblemen führt.
 
Siehe dazu auch: Zellteilung (Meiose)

Universal-Lexikon. 2012.

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